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Was ist eigentlich Liturgie?

Frühere Zeiten taten sich mit der Beantwortung dieser Frage leicht. Liturgie waren genau die Formen von Gottesdienst, die in den Römischen Büchern enthalten waren: im Missale Romanum (Messbuch), im Breviarium (Buch für das "Stundengebet" bzw. die Tagzeitenliturgie), im Pontifikale (Buch für die sonstigen Feiern des Bischofs, z. B. Doiakonen-, Priester- und Kirchweihe) und im Rituale (Buch für die sonstigen Feiern der Priester, z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis usw.).

Was ist Liturgie? Die Frage ist heute etwas schwieriger zu beantworten. Vor 40 Jahren tagte das II. Vatikanische Konzil. Die Bischöfe aus der ganzen Welt machten sich Gedanken über die Zukunft der Kirche, und als erstes wandten sie sich den Fragen des Gottesdienstes zu. Die "Konstitution über die heilige Liturgie" war das erste Dokument, das die Bischöfe auf dem Konzil zum Beschluss machten; das geschah am 4. Dezem ber 1963. In diesem Text erklären die zum Konzil versammelten Bischöfe zusammen mit dem Papst, was Liturgie ist und wie sie gestaltet sein soll. Sucht man allerdings im Konzilstext nach einer kurzen Antwort in einem Satz auf unsere Frage, ähnlich einer mathematischen Definition, dann findet man sie nicht. Man muss etwas weiter ausholen, um zu erklären, was Liturgie nach heutigem Verständnis ist.

  • Zunächst: Inhalt der Liturgie ist das Gedenken . Wer Liturgie feiert, erinnert sich an das, was Gott schon an Gutem für den Menschen getan hat: in der Zeit des Alten Testaments vor allem in der Befreiung und Erwählung Israels, in der neutestamentlichen Zeit vor allem in der Aufweckung des gekreuzigten Jesus, aber auch in vielen anderen Zeichen und Worten. Daher gehört die Lesung der Heiligen Schrift zu jeder Art von Liturgie. Gedenken heißt nun aber nicht, nur daran zu denken, wie es früher einmal war. In der Liturgie wird das, was zwischen Gott und den Menschen geschehen ist, zur Gegenwart. Ganz besonders deutlich wird dies z. B. am  Gründonnerstag, wenn es heißt: "Am Abend vor seinem Leiden - das ist heute - nahm er das Brot und sagte Dank...". Wir sind sozusagen live dabei.
  • Dann: Liturgie ist Dialog, ist Austausch zwischen Gott und den Menschen. Gott spricht den Menschen an, teilt sich ihm mit, wenn sein Wort in den Lesungen vorgetragen wird. Der Mensch nimmt das Wort Gottes auf, lässt es in sich wirken, z. B. in Zeiten der Stille, der Auslegung und der Medidation, und gibt schließlich Antwort im Gebet. Er dankt Gott für das, was er getan hat und bittet ihn um seinen weiteren Beistand. Deswegen ist Liturgie mehr als Belehrung, aber auch mehr als Gebet. Gott und der Mensch müssen zur Sprache kommen.
  • Weiter: Liturgie hat die Form der Feier . Nicht jedes noch so gute Gespräch über Gott oder jede Meditation ist schon Liturgie. Liturgie wird gefeiert . Der Alltag wird unterbrochen, man tut etwas Außergewöhnliches, man hält sich an überlieferte Worte und Bräuche. Musik und Gesang gehören dazu, ein besonders gestalteter Raum, eine Zeit, die frei ist von Pflicht und Arbeit. Liturgie ist schon jetzt ein Vorausfeiern von dem, was uns am Ende unter einem schönen Bild versprochen ist: das ewige Festmahl im Reich Gottes. Zur Feier gehört auch die Gemeinsamkeit. Seit dem Konzil ist von Neuem klar, dass da nicht einer den Gottesdienst "hält" und die anderen nur irgenwie fromm dabei sind, sondern dass Liturgie immer Feier der ganzen Kirche - selbstverständlich auch der Laien - ist. In der einzelnen Gottesdienstgemeinde wird die Kirche greifbar  und sichtbar. Zur Feier gehört schließlich auch, dass man sich nicht auf Worte beschränkt. Zeichenhhandlungen sind untrennbar mit der Liturgie verbunden: Das Zusammenkommen, das Einander-Grüßen und Einander-Berühren, das gemeinsame Mahl, das Sich-Bewegen in Prozessionen und manchmal auch im liturgischen Tanz, die Verwendung von Wasser, Duftstoffen, Lichtern und vielem anderen. Der ganze Mensch mit all seinen Sinnen soll an der Feier teilhaben.
  • Und schließlich: Liturgie hat eine Ordnung . Nicht jedes spontane Gebet ist auch Liturgie. Nicht jede Feier, die igendwie mit dem Glauben zu tun hat, ist Liturgie. Sie sind ganz ohne Zweifel wertvoll und sollen in keiner Weise in Frage gestellt werden. Aber zur Liturgie gehört auch ein fester Rahmen, wie jedes gute Spiel seine Regeln hat. Dieser Rahmen ist bei den wichtigsten Feiern, z. B. bei der Messe, im Wesentlichen für die ganze Weltkirche vorgegeben. Andere Feiern sind auf der Ebene des Bistums geregelt, so etwa die Wort-Gottes-Feiern, und sie sind nach Auffassung des Konzils ebenfalls Liturgie.Man könnte den Rahmen auch noch weiter ziehen (wobei sich da die Gelehrten noch nicht ganz einig sind): Manche Feiern sind nur im Bereich einer Pfarrei festgelegt, beispielsweise viele Prozessionen; sie sind eine Art von pfarrlicher Liturgie. Und selbst Gruppen und Kreise innerhalb einer Gemeinde können so etwas wie eine feste Liturgie herausbilden, etwa am Beginnn oder Ende ihrer Zusammenkünfte.

Man hat in der Geschichte der Kirche zeitweise gemeint, Liturgie, das sei vor allem ein Regelwerk mit zahlreichen Vorschriften, die kaum jemand versteht, die man aber trotzdem einhalten muss. Und gelegentlich kann man den Eindruck haben, dass manche bis heute so denken. Aber die Regeln sind nicht selbst die Liturgie, sie dienen ihr nur. Liturgie schafft Feiergemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk. Wenn das zu spüren ist, ist sie gelungen.

Peter Wünsche
Professor für Liturgiewissenschaft an der Uni Bamberg
Mitglied der Liturgischen Kommission der Erzdiözese Bamberg